von Dipl. Psych. Stefanie Weimer und Agata Wüstermann (Musiktherapeutin), Frankenalb-Klinik Engelthal
Unzählige Ratgeber sowie Verhaltensanleitungen zum Thema Stress und Glück bevölkern die Buchregale im Handel und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Der Wunsch nach einem "guten Leben" gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird fast schon zur Sehnsucht in der Gesellschaft. Das Bedürfnis nach Gesundheit, Zufriedenheit und einer guten Work-Life-Balance ist groß. Dafür aktiv zu werden, fällt vielen von uns schwer. Oft sind es (Lebens)Krisen, die uns zur Auseinandersetzung mit uns selbst und daraus folgenden Veränderungen „nötigen“. Sie zeigen uns persönliche Sackgassen auf und motivieren uns indirekt, besser auf uns selbst zu achten.
Sind Krisenzeiten wirklich notwendig, um Veränderungen zu erzwingen? Können wir nicht sofort damit anfangen, gut für uns selbst zu sorgen?
Neuere Studien im Gesundheitswesen betonen, dass das Erleben von subjektivem Wohlbefinden ein zentraler Faktor im Umgang mit Kranheit und Gesundheit ist. Wohlbefinden wird dabei als komplexer subjektiver Bewusstseinszustand definiert, der sich einer unmittelbaren Beobachtung von außen grundsätzlich entzieht. Merkmale wie physische sowie psychische Beschwerdefreiheit, das Erleben von Freude im Alltag, im Sinne kurzfristiger positiver Gefühle, persönliche Zufriedenheit sowie ein grundlegendes positives Empfinden scheinen charakteristisch für das Erleben von Wohlbefinden zu sein.
„Nur noch schnell ... – Nebenbei ... – Mal kurz ... – Wenn ich eh schon dabei bin ...“
Typische Verhaltensweisen unter Stress und Dauerbelastungen sind Schlafmangel, der Verzicht auf Pausenzeiten und Ruhephasen sowie Bewegungsarmut. Als Rechtfertigung wird Zeitersparnis und Zeitoptimierung angegeben. Das Ziel ist, mehr Zeit für sich selbst zu gewinnen, auch wenn der Gewinn vor Erschöpfung oft auf ein „Versacken“ auf der Couch reduziert wird. Der Wunsch nach Stille und Ruhe geht nicht selten mit sozialem Rückzug einher, weil die Kraft für aktive Entspannung fehlt. Das bedeutet, dass z. B. gemeinsame Aktivitäten mit Freunden abgesagt werden
Auf diese Weise verzichten wir auf viele Momente, die uns zufrieden, froh und glücklich machen können. Dabei ist es keine neue Erkenntnis, dass Momente der Entlastung und der Zufriedenheit mit sich selbst, Energie spenden und helfen können, im Umgang mit Belastungen und Stress gelassener zu sein.
Ist es möglich, sich selbst mehr Lebensqualität und Lebenszufriedenheit zu verschaffen?
Ein Ansatz, der sich genau diesen Themen widmet, ist das Prinzip der Selbstfürsorge. In der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie wird untersucht, unter welchen Umständen Menschen zufriedener bzw. unzufriedener sind. Menschen, denen es objektiv betrachtet gut geht, weil sie sich einer guten Gesundheit erfreuen, über einen hohen Lebensstandard sowie einen großen Freundeskreis verfügen, beschreiben sich nicht selten in ihrem Erleben als unglücklich, unzufrieden oder enttäuscht. Im Gegensatz dazu geben Menschen an glücklich, zufrieden und froh zu sein, obwohl man bei objektiver Betrachtung ihrer Lebensumstände mehr negative Aussagen über ihr Leben erwarten würde.
Daraus lässt sich folgern, dass Lebenszufriedenheit immer subjektiv ist. Diese Tatsache wirft Fragen nach dem persönlichen Beitrag im Hinblick auf die eigene Lebenszufriedenheit auf. Selbstfürsorge beschäftigt sich mit Momenten, die uns gehören, die ein positives Befinden erzeugen, die uns Auszeiten schaffen, die uns Kraft geben und uns entlasten.
Achtsamkeitsmodell, wohltuende körperliche Erfahrungen, Ruhe, Stille und das Besinnen auf sich selbst, sowie die beuwsste Auseinandersetzung mit Problemen sind Teile der Selbstfürsorge. Achtsamkeit bedeutet „im Hier und Jetzt zu sein“, ein bewusstes, wertfreies Erleben des Momentes, wie z. B. bei der Lektüre eines Buches, während eines Spaziergangs, beim Musikhören und anderen Genusserlebnissen, beim wohltuenden Nichtstun, beim Sichtreibenlassen ...
Bin ich zufrieden? Was macht mich zufrieden? Wann fühle ich mich wohl? Was lässt mich froh und glücklich sein? Was tue ich für mich, um froh zu sein? Wie groß ist der wirkliche Aufwand, um Momente des Glücks zu erleben?
Lisa Swerling und Ralph Lazar begeben sich in ihrem Buch „Glück ist ... 500 Gründe, glücklich zu sein“ auf die Suche nach Momenten. Sie schildern Situationen aus dem Alltag, die jeden Tag da sind. Diese sind kostenfrei und für jeden zu haben, der aufmerksam nach ihnen sucht, sie bemerkt, wahrnimmt und sich ihnen widmet. Im Rahmen der Selbstfürsorge achte ich deutlich mehr auf meine Zufriedenheit. Ich verstehe, warum es mir gut geht und ich mich wohlfühle und stärke meine Selbstwirksamkeit, um etwas Positives für mich zu tun.