Erlangen – Es ist ein ganz normaler Morgen im Hause Schmidt. Während Carola Schmidt* am PC sitzt, kommt ihr Mann Günther nach dem Frühstück gerade aus der Küche. Doch anstelle sich zu ihr zu setzen, fällt Günther Schmidt einfach um, röchelt und bleibt leblos am Boden liegen. „Natürlich ist man zuerst geschockt, doch mir war sofort klar: jetzt muss ich schnell Hilfe holen“, erinnert sich Carola Schmidt. Geistesgegenwärtig geht sie sofort zum Telefon und wählt die 112. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Kollege der integrierten Leitstelle Nürnberg. Bis der Rettungswagen eintrifft soll Frau Schmidt ihren Mann reanimieren. „Mein letzter erste Hilfe Kurs war 1968 in der 10. Klasse der Realschule. Doch der Mitarbeiter der Leitstelle hat mir alles sehr gut erklärt. Er hat gezählt und den Takt vorgegeben und ich habe einfach funktioniert“, erklärt Carola Schmidt.
Die Leitstelle am Nürnberger Hafen ist eine der größten in Deutschland. Hier werden Anrufe aus den Städten Nürnberg, Fürth, Erlangen und den Landkreisen Fürth, Erlangen-Höchstadt und Nürnberger Land angenommen. Marc Gistrichovsky, Abteilungsleiter der integrierten Leitstelle, erklärt die Aufgaben: „Im Durchschnitt gehen bei uns etwa 1.400 Notrufe pro Tag ein. Gibt es beispielsweise einen Sturm können es auch über 2.000 Anrufe sein. Wir koordinieren und alarmieren dann, je nach Fall, Feuerwehr und Rettungsdienst.“
Es dauert nur wenige Minuten bis die Rettungskräfte bei Familie Schmidt eintreffen. Durch Elektroschock wird das flimmernde Herz wieder zum regelmäßigen Schlagen gebracht, es wird ein Beatmungsschlauch eingeführt, Herr Schmidt beatmet und in die nächstgelegene Klinik zur Akutversorgung gebracht. Anfangs wird der Körper auf 35 Grad gekühlt, insgesamt vier Wochen verbringt Herr Schmidt im künstlichen Koma.
„Die Ursache ist nicht eindeutig geklärt. Mein Mann hatte bereits einen Herzinfarkt und leichte Schlaganfälle. Ein Kammerflimmern war wohl schuld“, so Carola Schmidt. Bei solch einem Vorfall zählt jede Sekunde. Pro Minute, in der Herz und Kreislauf versagen, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit des Betroffenen um 10 Prozent. „Man darf keine Angst haben, etwas falsch zu machen. Falsch ist nur, nichts zu machen!“, so Gistrichovsky. Bayernweit besteht ein einheitlicher Reanimationsalgorhytmus. Geht ein Notruf in der Leitstelle ein, fragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Telefon nach einem speziellen Schema ab. „Hauptindikator ist für uns die Atmung. Atmet der Patient nicht oder nicht regelmäßig, so werden die Anrufer angewiesen eine regelmäßige Kompression auf den Brustkorb auszuüben. Durch das Drücken wird die Lunge ebenfalls komprimiert und wieder entfaltet, eine Mund-Nasen-Beatmung ist nicht zusätzlich notwendig“, erklärt Marc Gistrichovsky. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte verschafft man dem Bewusstlosen so eine deutlich bessere Chance.
So auch im Fall von Günther Schmidt. Nach der Akutversorgung wird er ins Zentrum für Neurologie und Neurologische Rehabilitation in Erlangen verlegt. Drei Wochen verbringt er dort auf der Intensivstation. Chefarzt Dr. Friedrich Freiherr von Rosen erinnert sich noch gut: „Der Patient war nach dem Erwachen aus dem künstlichen Koma noch verwirrt und muskelschwach. Er musste die Tätigkeiten des täglichen Lebens wie Aufsetzen, Stehen, Gehen, Körperpflege, Essen wieder einüben. Anfangs war unklar, ob eine schwere Schädigung des Gehirns vorliegt und eine Bewegungskontrolle möglich sein wird. In dieser Phase bestand noch eine hohe Gefahr eines erneuten Herzversagens oder einer Lungenentzündung, er musste eng überwacht werden und hing am Monitor.“
Die Reanimation durch seine Ehefrau hat Günther Schmidts Leben gerettet. „Das Gehirn hat einen hohen Energiebedarf, der durch Abbau von Glukose (Zucker) unter Umwandlung von Sauerstoff in CO2 erfolgt. Wenn durch Kreislaufstillstand kein Sauerstoff und Blutzucker mehr antransportiert wird, werden nach wenigen Minuten Nervenzellen des Gehirns irreversibel geschädigt“, erklärt Dr. von Rosen.
Das Zentrum für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Klinikum am Europakanal Erlangen bietet ein umfassendes Behandlungsangebot an. Ein multiprofessionelles Team, bestehend aus Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten, kümmert sich um Patientinnen und Patienten mit akuten und chronischen neurologischen Erkrankungen. Das Spektrum reicht von der schnellen Versorgung bei Schlaganfällen, Infektionen des Nervensystems, Anfallserkrankungen und Epilepsie bis hin zur Rehabilitation, beispielsweise nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Im Zentrum für Neurologie und Neurologische Rehabilitation werden jährlich etwa 30 Patientinnen und Patienten mit einer Hirnschädigung nach einem Herzstillstand behandelt. Bei Betroffenen, bei denen schnell eine Reanimation bis zum Eintreffen der Rettungskräfte eingeleitet wurde, verläuft die Rehabilitation besser und sie können oft in ein selbstständiges Leben ohne Pflegebedürftigkeit zurückkehren.
*Namen von der Redaktion geändert