Erlangen: Strukturelle Hirnerkrankungen wie auch schwere internistische Erkrankungen oder Unfälle mit neurologischen Folgeschädigungen können dazu führen, dass Patientinnen und Patienten auf ein Beatmungsgerät angewiesen sind. Je länger die künstliche Beatmung dauert, desto schwieriger und langwieriger gestaltet sich oft die anschließende Beatmungsentwöhnung (Weaning). Das Zentrum für Neurologie und neurologische Rehabilitation (ZNR) am Klinikum am Europakanal verfügt über eine hohe Expertise und große Erfahrung in diesem Bereich – das haben die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) und der TÜV Rheinland heute mit einem Zertifikat bestätigt.
„Auf unserer Intensivstation im Zentrum für Neurologie und neurologische Rehabilitation führen wir rund 100 Patientinnen und Patienten im Jahr durch den Prozess der Beatmungsentwöhnung“, sagt Chefärztin PD Dr. Christine Kiphuth, kommissarische Leiterin des ZNR. „Viele von ihnen müssen nach einem Schlaganfall, einem Status epilepticus oder anderen strukturellen Hirnerkrankungen künstlich beatmet werden – oft mehrere Wochen oder länger. Diese Menschen lernen während des Weanings buchstäblich wieder zu atmen.“
Beim Weaning werden beatmete Patientinnen und Patienten von der maschinellen Beatmung schrittweise entwöhnt. Dafür stehen den Ärztinnen und Ärzten verschiedene Strategien zur Verfügung, bei denen die Unterstützung durch das Beatmungsgerät schrittweise reduziert wird oder Phasen der Eigenatmung ohne Unterstützung durch das Beatmungsgerät schrittweise ausgedehnt werden. Therapeutische Maßnahmen der Atmungstherapie, Logopädie, Physiotherapie und weiterer Disziplinen unterstützen den Entwöhnungsvorgang. Um bei Komplikationen schnell reagieren zu können, wird der Prozess in allen Phasen genauestens überwacht.
„Wir tun alles, damit unsere Patientinnen und Patienten am Ende des Weaning-Prozesses wieder selbstständig atmen können oder ihre Atemfähigkeit so weit verbessern, dass die künstliche Beatmung auf ein Minimum reduziert werden kann. So bekommen sie ein Höchstmaß an Selbstständigkeit und Lebensqualität zurück“, sagt PD Dr. Christine Kiphuth. „Mit dem Zertifikat können wir zeigen, dass wir bei der Beatmungsentwöhnung die hohen Standards der DGNR und des TÜV Rheinland erfüllen. So wissen die Patientinnen, Patienten und deren Angehörige, dass sie bei uns bestmöglich versorgt werden.“
Weaning als Baustein der neurologischen und neurochirurgischen Frührehabilitation
Das ZNR im Klinikum am Europakanal verfolgt den integrativen Behandlungsansatz der neurologischen und neurochirurgischen Frührehabilitation (NNFR). Dieser zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass schon während der Beatmungsentwöhnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine umfangreiche Förderung der Patienten durch rehabilitative Maßnahmen erfolgt. „Erfolgreiches Weaning in der NNFR lässt sich anhand der Ergebnisse der Zentren belegen, die diesen integrativen Ansatz bei der Beatmungsentwöhnung verfolgen. Durch die NNFR wird die Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit, Teilhabe und Lebensqualität der Versorgten maßgeblich gefördert – damit trägt der Behandlungsansatz deutschlandweit wesentlich zur Vermeidung eines außerklinischen Intensivpflegebedarfs bei“, sagt Prof. Thomas Platz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR).
DGNR und TÜV Rheinland zertifizieren Zentren für Beatmungsentwöhnung
Die DGNR und TÜV Rheinland zertifizieren seit einem Jahr „Zentren für Beatmungsentwöhnung in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation“. Bisher zeichneten sich 13 Zentren durch ihre Qualitätsstandards aus und erhielten das Zertifikat. Das ZNR im Klinikum am Europakanal ist eines von ihnen. „Die bereits zertifizierten Zentren haben zusammen mehr als 330 Betten zur Beatmungsentwöhnung in der NNFR und betreuen im Jahr mehr als 2500 Personen im Weaning“, berichtet Prof. Thomas Platz.
Die Vergabe des Zertifikats setzt voraus, dass sowohl die medizinischen Standards der Beatmungsentwöhnung in der NNFR als auch die in der ISO 9001 festgelegten Vorgaben des betrieblichen Qualitätsmanagements erfüllt werden.
Das unabhängige Zertifizierungsverfahren fördert die Qualität der Zentren für Beatmungsentwöhnung und wird von medizinischen Experten gemeinsam mit Auditoren von TÜV Rheinland durchgeführt. „Die Zertifizierung schafft objektive Kriterien zum Nachweis der fachlichen Spezialisierung, sorgt für einheitliche Standards und ermöglicht konzeptionelle und qualitative Transparenz“, sagt Christian Friederich, Leiter Zertifizierungen im Gesundheitswesen bei TÜV Rheinland. „Als unabhängiger und erfahrener Zertifizierer haben wir zusammen mit der DGNR die Kriterien erarbeitet. Eine Auditorin oder ein Auditor von TÜV Rheinland leitet das jeweilige Verfahren. Die DGNR stellt uns jeweils eine medizinische Fachauditorin oder einen medizinischen Fachauditor zur Seite, was die Durchführung des Audits sehr unterstützt.“