Seelische Gesundheit – im Gespräch

Thema: Depressionen und Ängste

 

Die letzten Wochen und Monate haben uns allen viel abverlangt. Ich denke, jeder von uns hat so seine Momente, in denen er verzagt ist oder ängstlich. Völlig normal, denke ich, und wenn diese Gefühle dann aber doch stärker werden, dann können wir uns helfen lassen, zum Beispiel von den Bezirkskliniken Mittelfranken. Im Studio ist jetzt Prof. Dr. Thomas Kraus, Chefarzt der Frankenalb-Klinik in Engelthal. Ich grüße Sie.

Prof. Kraus: Hallo.

Erst mal die Frage an Sie, wie haben Sie die letzten Monate erlebt und auch überstanden?

Prof. Kraus: Ja, also das ist eine sehr gute Frage, weil ich merke da, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, irgendwo. Und man merkt an sich selber, dass es eine schwierige Zeit ist, eine herausfordernde Zeit. Also man hat da schon tatsächlich auch einen kleinen Eindruck bekommen, selber jetzt, wie sich jemand fühlt mit Ängsten, oder wenn jemand eingeschränkt wird von außen, oder wenn man wenig Kontakte haben kann. Also ja, auch ein Stück weit, wie die Stimmung nach unten geht oder der Stresspegel höher wird. Also das kann ich an mir durchaus auch beobachten. Und das ist ja auch das, was wir wissen, von Umfragen zum Beispiel, die das genau zeigen, dass in der Bevölkerung das Stresserleben zugenommen hat und auch die depressive Stimmungslage, und auch mehr Ängste, Sorgen sind stärker geworden. Es gibt da Untersuchungen aus allen Ländern, die zeigen, dass das Grundrauschen, was wir immer so hatten, an Angst und Sorgen, von acht Prozent, sich jetzt auf 30 Prozent erhöht hat.

Ui!

Prof. Kraus: Also das ist schon sehr deutlich. Und ja, das fordert uns Psychiater und Psychotherapeuten heraus. Und man kann an sich selbst auch ein bisschen experimentieren, noch mal um zurückzukommen zu dem, wie ich das erlebt habe, und kann dann auch sagen, dem Patienten, was geholfen hat und was nicht und kann sich da gut austauschen. Es ist ja auch wichtig, dass wir hier partizipativ tätig sind und nicht ich der Experte, dort der Patient, sondern wir beide helfen und gegenseitig und nehmen uns an die Hand. So stellen wir uns die Psychotherapie ja auch vor.

Sie haben es gerade schon angesprochen, unser Thema ist ja heute Depression und Ängste. Ängste. Es gibt da viele, die sind völlig akzeptiert. Ich denke da zum Beispiel an die Angst vorm Fliegen, die habe ich zum Beispiel, vor Spinnen oder vor großer Höhe. Wir vermeiden dann diese angstauslösenden Situationen einfach, und das geht auch meist gut, und auch sehr lange. Ab wann werden Ängste zum Problem?

Prof. Kraus: Na ja, gut, Ängste werden zum Problem, wenn sie uns im Alltag behindern, wenn die Angst auftaucht zur Unzeit, wir nicht damit rechnen, oder andere haben dann keine Angst, und wir plötzlich, wenn eigentlich die Situation gar nicht danach ist. Wir sind entspannt. Oder auch beim Einkaufen, wenn man es gar nicht gebrauchen kann, ja, oder wenn die Angst zu stark kommt. Also dass wir jetzt Angst haben in bestimmten Situationen ist auch wichtig und richtig. Wir müssen ja auch geschützt werden vor Gefahren. Das ist ja auch biologisch so der Sinn der Angst. Wenn die Angst zu stark wird und sie uns überflutet, dann sind wir in unserer Handlungsfähigkeit und in unserer Selbstentfaltungsmöglichkeit eingeschränkt, dann beginnt hier die Pathologie, das Krankhafte, das Überzeichnende. Also am falschen Ort, zur falschen Zeit und in der falschen Ausprägung, das sind die Kriterien für die Erkrankung dann.

An einer Angststörung zu leiden ist ja schon eine Herausforderung. Manchmal kommt dann auch noch eine Depression dazu. Wie hängt das beides zusammen?

Prof. Kraus: Ja, da gibt es vielfältige Verzahnungen und Überschneidungen. Das ist so, dass, wenn Sie sich vorstellen, dass diese Angst immer stärker wird und das Leben immer mehr beeinträchtigt und Menschen am Ende das Haus nicht mehr verlassen und Freunde nicht mehr besuchen, dass sie dann auch irgendwie depressiv werden können. Also mindestens 30 Prozent der Angstmenschen oder Angstpatienten bekommen dann eine Depression irgendwann. Oder umgekehrt ist es auch so, dass Depressionen grundsätzlich auch sehr viel mit Ängsten einhergehen und zu tun haben, und dass es hier auch biologisch Überschneidungsbereiche gibt in der Entstehung, und so, dass wir da auch mindestens 30 Prozent ängstliche Depressionen haben. Also hier ist eine große Überschneidung gegeben.

Ängste, die erkennt man ja sehr schnell. Da ist was, das macht mir Angst. Auch Traurigkeit ist was völlig Normales. Welche Symptome sind denn aber typisch für eine beginnende Depression?

Prof. Kraus: Na ja, also es geht vor allem hier um eine dauerhaft oder anhaltend gedrückte Stimmungslage. Wenn die Freude wegfällt, Patienten sagen, sie können sich über nichts mehr freuen, sie können nicht mal mehr Trauer empfinden auch, also können im Prinzip gar keine Gefühle mehr empfinden, sind leer, und das Interesse hat nachgelassen, an schönen Dingen im Leben, aber auch nur an normaler Teilhabe, und was ganz wichtig ist, der Antrieb, die Energie, die plötzlich nicht mehr da ist. Depression ist so ein Stillstand, eine Hemmung, ein Weniger, ein Verlust von allem Möglichen, an Konzentration, an Ideen, Kreativität, Lust, Appetit, Schlaf letztendlich. Also es ist ein sehr einschränkender, ja, immer mehr mit Rückzug und Starre verbundener Leerezustand.

Sie haben auf Ihrer Homepage auch einen Test, den ich machen kann.

Prof. Kraus: Genau. Also Schnelltests gibt es jetzt nicht nur bei Corona, sondern Schnelltests gibt es auch bei Depressionen und gibt es auch im Internet zahlreiche. Wir haben auf unsere Homepage auch einen gestellt. Also s geht hier immer um die wichtigsten Fragen, konnten Sie sich auch noch freuen, die letzten zwei Wochen, waren Sie dauerhaft gedrückt oder überwiegend, hatten Sie noch Energie. Das sind eigentlich so die Hauptkriterien. Und weitere Kriterien wären dann Konzentration, Lebensfreude bzw. dann schon der Gedanke an den Tod. Und eben Appetit, Störungen, Schlafstörungen, diese Themen kämen dann so als Nebensymptome noch dazu. Viele Patienten erkennen ja auch die Depression gar nicht so zunächst seelisch, sondern hauptsächlich körperlich, gehen dann auch zum Hausarzt und sagen, ich kann nicht mehr schlafen seit Wochen, ich grübele nur noch, ich fühle mich überlastet, überfordert mit vielen Dingen und habe Magen-Darm-Probleme, obwohl auch internistisch nichts gefunden wurde. Das nennt man dann somatische Depression, oder eben die Depression zeigt sich in erster Linie körperlich und gar nicht so sehr seelisch. Erst durch Nachfragen, was der Hausarzt dann machen muss, oder auch durch kleine Tests, kann man dann doch feststellen, dass das Überwiegende eigentlich diese Lähmung im Gehirn ist, dieser neurobiologische Starrezustand, von dem ich vorhin gesprochen habe.

Wir kommen gleich dazu, wie man Ängste behandeln kann, wie Sie helfen können, aber auch, wie Depressionen behandelt werden können. Fast jeder von uns kennt ja Menschen, wo man nicht so genau weiß, hat der gerade eine schlechte Phase, gerade jetzt auch, in Corona. Es geht uns ja allen gerade nicht so dolle. Und rutscht dieser Mensch womöglich ganz tief ins Dunkel? Ab wann kann oder muss ich als Außenstehender, als Familienmitglied, als Kollegin vielleicht auch handeln, und was kann ich überhaupt tun?

Prof. Kraus: Also es ist schon gut, wenn man Auffälligkeiten anspricht, vor allem auch im Arbeitsleben. Aber es ist wichtig, ja, es gut zu tun, es richtig zu tun. Was wir gerne erleben, ist natürlich, du schaust aber heute schlecht aus. Das ist so typisch fränkisch, sage ich jetzt mal, direkt. Damit kann nicht jeder was anfangen, weil nicht jeder noch den Humor hat. Manch einer fühlt sich dann sehr gekränkt und erst recht geschwächt. Also das wäre nicht der richtige Weg. Der richtige Weg wäre dann schon, dass man sich Zeit nimmt für den anderen und auch vielleicht durchaus mal ein bisschen nachfragt, auch privat nachfragt, wie es so geht, wie man das Ganze so erlebt. Und dann merkt man ja schon, wie der Mensch reagiert. Viele schütten plötzlich dann ihr Herz aus, haben das Gefühl, endlich fragt mal jemand. Bei anderen ist da große Zurückhaltung, man merkt, dass da eine Hemmung ist, vielleicht, oder durchaus wäre es jetzt an dem Punkt, auch mal dann ein Angebot zu machen, zu sagen, hey, sollen wir uns nicht mal so treffen oder noch mal telefonieren, oder, du, ich kenne da jemanden, der hat sich da auch mal da und dahin gewandt, der hatte da gute Erfahrungen, der kennt da jemanden. So eine Brücke bauen, das wäre zum Beispiel ganz hilfreich. Also ernst nehmen auf jeden Fall. Vielleicht auch manchmal nicht gleich sich entmutigen lassen, wenn der Betroffene abwehrt. Das ist eine ganz normale Reaktion erst mal, weil niemand will Schwäche zeigen, schon gar nicht im Arbeitsleben, sondern dass man dann vielleicht das auch erst mal respektiert, aber noch mal nachfragt nach einer gewissen Zeit. Weil die Betroffenen dann zu Hause dann das nachbearbeiten im Kopf und denken, na ja, jetzt habe ich den auch abgewehrt. Es hat sich bis jetzt keiner um mich gekümmert. Der einzige, der die Frage gestellt hat, den habe ich jetzt auch noch verprellt, und wünscht sich insgeheim, vielleicht doch noch mal drauf angesprochen zu werden und könnte sich dann öffnen und vielleicht auch Hilfe annehmen. Also da sollte man durchaus noch mal einen zweiten Anlauf nehmen. Ansonsten sind natürlich auch die Führungskräfte jetzt gefragt. Sie merken ja auch, wie die Arbeitsleistung ist oder das Verhalten am Arbeitsplatz. Kommt jemand häufig zu spät, liefert er nicht mehr das Ergebnis hat, was er schon früher gemacht hat, sind mehr Fehler da, hat er weniger Kreativität, bringt er weniger an Ideen ein. Und dann muss die Führungskraft natürlich das auch ansprechen und einfach mal nachhaken, ist da vielleicht mehr dahinter. Und dann kann man sagen, okay, es ist ein privates Thema, dann ist es auch erst mal wieder gut. Aber auch da muss die Führungskraft nach einer gewissen Zeit noch mal nachhaken.

Stellen wir uns also mal den Fall vor, wir haben jetzt einen Menschen, der ist bereit, sich Hilfe zu holen, Hilfe zu suchen, nimmt vielleicht telefonisch Kontakt zu Ihnen auf. Geht das über den Hausarzt, über die Überweisung, oder kann er sich auch direkt an Sie wenden?

Prof. Kraus: Also man kann sich über jeden Weg an uns wenden. Wir sind immer da. Und wir sind offen, so verstehen wir uns auch als Vollversorger, für die ganze Region im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich. Dafür stehen wir auch. Wir haben eine Marke entwickelt, die heißt „lebensmutig, selbstbestimmt und stark“. Und genauso sehen uns auch die Patienten, die uns das widerspiegeln. Das heißt, wir sind da. Die Frage ist jetzt, wie nehmen wir Kontakt auf. Wir haben auf der Homepage viele Telefonnummern angegeben von unseren Ambulanzen insbesondere. Da sind wir natürlich Ansprechpartner. Und wir sind ja auch mit den Kliniken und Dienstärzten Tag und Nacht, also 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche verfügbar. Natürlich muss der Dienstarzt hier die Gespräche, wenn welche im Notfall kommen, dann wirklich sehr kurz halten und wird wieder auf die Sprechstunden verweisen in der Ambulanz. Auch dort ist es natürlich so, dass wir wiederum jetzt auch eine Auswahl treffen müssen. Auch wir können nicht alle Patienten behandeln. Aber wir helfen immer weiter. Im Notfall kann man uns ansprechen. Also der Regelfall ist eigentlich ein anderer. Im Grunde, jemand informiert sich, im Internet zum Beispiel oder über Plakate, stößt da auf uns und stellt fest, na ja, könnte vielleicht was dran sein, vielleicht habe ich auch das ein oder andere Symptom. Dann kann er sich auf der Homepage bei uns zum Beispiel auch Lehrfilme, also kleine Filmchen, Zeichentrickfilme anschauen, kann überprüfen, ja, stimmt das bei mir vielleicht auch nicht, und so weiter, gibt es da Hinweise auf ein psychisches Problem. So. Und dann wäre aber jetzt der erste Ansprechpartner schon normalerweise, und das ist die geringste Hürde und Schwelle, der Hausarzt. Dort, ja, das ist die Frau/der Mann des Vertrauens, würde man wahrscheinlich in der Regel zuerst hingehen. Und der Hausarzt, der würde dann wahrscheinlich eine Überweisung veranlassen zu einem Psychotherapeuten oder zu einem Psychiater, je nachdem, ob er denkt, hier braucht man vielleicht auch Medikamente oder ist die Psychotherapie gleich am Anfang im Fokus. Das wäre so der Hauptweg. Und dann würde man von dort aus vielleicht dann weitergeschickt werden oder der Hausarzt sagt auch gleich, na ja, es ist was Komplexeres, hier brauchen wir eine intensivere Behandlung als nur Einzelgespräche oder Medikamente, hier brauchen wir eine Institutsambulanz. Also wir haben ja sogenannte psychiatrische Institutsambulanzen, die vor allem dafür da sind, Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt weiter zu betreuen, bis die ambulante Situation wieder passt, und umgekehrt auch, auch zu verhindern, dass es überhaupt zum stationären Aufenthalt kommt, gegebenenfalls vielleicht noch einen teilstationären, tagesklinischen dazwischen zu schalten, dafür sind wir so eine Vermittlungsstelle, diese psychiatrische Institutsambulanz, also schon für die komplexen Fälle. Also Überweisung vom Hausarzt wäre sozusagen der normale Weg. Wie gesagt, im Notfall kann man auch so kommen.

Jetzt stellen wir uns genau diesen Fall vor. Unser Mensch hat also eine Überweisung von seinem Hausarzt zu Ihnen bekommen, steht also jetzt mit seinem Köfferchen bei Ihnen in der Klinik. Wie geht es mit ihm weiter?

Prof. Kraus: Na ja, gut, also zunächst werden wir, wenn er jetzt ambulant kommt, erst mal mit ihm ein Gespräch führen und uns Zeit nehmen, zuhören und miteinander klären, was liegt denn vor, ist das eine behandlungsbedürftige Krankheit oder kann man vielleicht mit kleinen Lebensstiländerungen, Maßnahmen, Empfehlungen zunächst einmal abwarten. Das wäre so auch die Empfehlung der nationalen Versorgungsleitlinie für die Depressionsbehandlung, auch beim Hausarzt, zunächst, je nach Schweregrad, auch mit leichteren Methoden erst einmal irgendwie abzuwarten. Wenn es aber tatsächlich jetzt sich herausstellt, bei diesem Gespräch mit dem Köfferchen, dass doch ein komplexes Problem besteht, insbesondere zum Beispiel, dass jemand eine sehr belastende Umgebung hat, gerade, sei es am Arbeitsplatz, sei es zu Hause, dann stellt sich schon die Frage, ob jemand mal für eine Zeit lang herausgenommen werden muss aus diesem Umfeld. Das heißt, es wäre gut für ihn, wenn er erst mal in einer Klinik wäre für eine Zeit lang, und dann kann man ihn langsam wieder vorbereiten auf die ambulante und häusliche Situation. Eventuell zwischengeschaltet dann noch mal mit der Tagesklinik, wo jemand dann zwar noch tagsüber zu uns kommt, in die Therapien, aber nachts schon bei seiner Familie wieder sein kann, wieder zu Hause schlafen kann, sodass da ein Übergang ist. Und dann noch die Komplexbehandlung in der Institutsambulanz, wo es neben Gesprächen auch Gruppenbehandlungen gibt, auch Sportangebote gibt, kreative Gruppen gibt. Das heißt, hier kann man dann sehr gezielt und gestuft vorgehen, um jemanden wieder zurückzubringen in die häusliche Umgebung und ambulante Situation.

Und Sie haben auch in der Frankenalb-Klinik den Vorteil, dass Sie ganz viele Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen haben, die eng miteinander vernetzt arbeiten können.

Prof. Kraus: Genau. Wir sind interdisziplinär aufgestellt. Und es ist auch wichtig, dass hier neben Ärzten und Pflegekräften eben auch Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Ergo-, Kunst-, Musik-, Tanztherapeuten genauso arbeiten wie Physiotherapeuten. Und alles zusammen, wir nennen das multiprofessionelles Team, man kann dann wirklich ganz gezielt auf die einzelnen Fragestellungen und Defizite und Ziele des Patienten eingehen. Und es braucht natürlich immer den Manager, den Bezugstherapeuten, der so ein bisschen das Ganze steuert, auch den Fall-Manager, der so ein bisschen den Patienten durchgeleitet, durch die verschiedenen Therapiemöglichen und Aufenthalte. Und so kann dann am Ende wirklich eine bestmögliche Therapie und ein bestmögliches Ergebnis erzielt werden.

Durchschnittliche Behandlungsdauer, kann man da was sagen?

Prof. Kraus: Na ja, wenn wir mal so die Zeiten in der Klinik generell betrachten, sind wir ca. bei drei Wochen. Das ist jetzt natürlich unterschiedlich. Manche, die haben nicht so viel Zeit, oder da geht es um eine Krisenintervention, das heißt, es ist kurz, es geht eine bis zwei Wochen. Für manche ist es auch einfach erst mal nur eine Entlastung nach einer aktuellen Schocksituation, irgendwie, das geht dann vielleicht auch mal nur zwei Tage oder einen Tag. Und dann ist es natürlich so, dass – sagen wir mal – auch die Therapie, wenn man die multiprofessionell aufbaut, mit biologischen Methoden, also mit Medikamenten, Magnetstimulation, Lichttherapie und so weiter, Sport, aber auch psychotherapeutischen Methoden, Gruppen und Einzel, dann ist meistens so nach drei Wochen, zwei bis drei Wochen, beginnt so eigentlich ein sichtbarer Erfolg. Und da muss man überlegen, lässt man es jetzt da, und kann man jetzt schon wieder ambulant weitermachen, oder ist jetzt gerade so der Punkt, wo es in die Tiefe geht. Und dann kommt meist so das ein oder andere, was bis jetzt noch nicht bekannt war oder das eigentliche Problem, kommt zum Vorschein. Und dann wollen Patienten auch jetzt mal tatsächlich in die Tiefe arbeiten. Das dauert dann noch mal drei Wochen. So dass wir in der Psychotherapie und Depressionsbehandlung ca. sechs Wochen haben, im Schnitt. Vier bis sechs Wochen. Je nachdem. Aber wie gesagt, wenn jemand weniger Zeit hat oder wenn er ein zweites Mal kommt, um nur nachzuarbeiten, dann ist das auch kürzer. Und je nach Behandlung auch jetzt, sagen wir mal, wenn die Patienten älter sind, dann ist das auch vom gleichen Erfolg gekrönt, aber es zieht sich manchmal doch noch etwas länger als bei jüngeren Menschen. Dann muss man nämlich vorsichtiger die Medikamente dosieren, man muss andere Krankheiten mit berücksichtigen, andere Lebenssituationen, die sich nicht so schnell ändern lassen, mit Heimaufenthalt und sonst was, da dauert es etwas länger noch. Bei jüngeren Patienten ist das etwas kürzer. Und ja, je nachdem.

Sie haben ein wirklich umfangreiches Behandlungsangebot, wenn ich mir das so anschaue, Tanztherapie, Sport, Physiotherapeuten haben Sie, Hypnose haben Sie auch. Zahlt das alles die Kasse? Und gibt es auch die Möglichkeit, dass ich so etwas privat mache, also auch privat zahle?

Prof. Kraus: Also die Kasse bezahlt das alles. Wir machen das, was die Patienten ersetzt bekommen, und darüber hinaus machen wir nichts. Es ist so, dass das alles anerkannte Verfahren sind. Und wir müssen das ja auch immer dokumentieren und begründen. Und so ist dieses – sagen wir mal – Standardverfahren, diese medizinischen Leitlinien, die können wir voll erfüllen für alle Patienten. Einen Unterschied können wir machen hinsichtlich der Wohnsituation. Wir haben ja auch schöne Gebäude, in Engelthal zum Beispiel oder auch an den anderen Standorten, nach der Sanierung. Aber man hat die Möglichkeit, als Privatpatient auch noch ein Komfortzimmer zu buchen sozusagen, und noch mal extra Essen, das bezieht sich jetzt aber nicht auf die medizinischen Maßnahmen. Die sind eigentlich für alle Patienten gleich. I: Nun gibt es ja unzählige frei praktizierende Psychologen, Psychotherapeuten, Selbsthilfegruppen, warum, in ein paar Sätzen, ist es ratsam, zu Ihnen in die Frankenalb-Klinik nach Engelthal zu kommen? Was zeichnet Sie aus, oder was unterscheidet Sie von diesen anderen Angeboten? B: Na ja, gut, wir sind so ein bisschen ein – ich sage mal – über die Sektorengrenzen hinweg aufgestellter Steuerer auch ein bisschen, so ähnlich wie der Hausarzt auch. Der Hausarzt ist ja auch jemand, der steuert, wo ist es für den Patienten am besten. Und wir sind halt für die ganze Breite der psychischen Erkrankungen, ambulant, stationär und so weiter, die Spezialisten. Es ist ein sehr gutes Angebot da an Psychotherapeuten und Psychologen. Aber es ist auch oftmals so, dass die Patienten nach der Klinik zum Beispiel dann sagen, ja, wo soll ich denn jetzt hin, ich habe jetzt irgendwie schon 20 Anrufe getätigt, und ich finde jetzt erst mal niemanden, dann müssen wir das, tun wir das auch gerne, dieses Angebot stellen und sozusagen die Situation überbrücken, erst einmal. Und dann können die Patienten bei uns auch die Gespräche führen, die jetzt noch notwendig sind, erst einmal, bis sich die ambulante Situation entsprechend gestaltet hat und man dann da auch dann langfristig einen ambulanten Psychotherapeuten, der passt, gefunden hat. Also wir können halt so ein bisschen den Patienten über die ganze Lebensspanne und über die ganzen Sektorengrenzen, also ambulant, teilstationär, stationär hin begleiten.

Ja. Es gibt ja momentan lange Wartelisten. Ich habe jetzt erst wieder gelesen, dass auch Kinder und Jugendliche in einer Art Triage teilweise gar nicht mehr aufgenommen werden, erst, wenn sie wirklich suizidgefährdet sind. Wie ist das bei Ihnen in Engelthal?

Prof. Kraus: Ja, also es gibt immer wieder Zeiten, wo es schwierig ist, auch momentan ist das so, tatsächlich, dass wir schon viele Patienten bekommen, die halt auch unter Corona sehr stark gelitten haben, also sehr schwerkranke Patienten. Es ist aber auch auf der anderen Seite, und leider, dass manche sich eben wegen Corona gar nicht so in die Kliniken trauen, die einfach möglichst lange versuchen, eigentlich ambulant auszuharren. Von daher, es ist so gerade im Moment die Situation ambulant schlechter quasi als stationär. Wir haben jetzt stationär eher im Moment Möglichkeiten aufzunehmen, gerade, aber der ambulante Bereich, der ist ganz massiv überfüllt. Das muss man wirklich sagen. Der Erwachsenenbereich ist auch etwas anders als der bei den Kindern. Bei den Kindern ist das tatsächlich noch mal enger, auch stationär, als im Moment. Es ist aber auch natürlich immer wieder Schwankungen unterlegen, das Ganze.

Letzte Frage, wie sind denn die Heilungschancen, sowohl bei Ängsten als auch bei Depressionen?

Prof. Kraus: Also Angststörungen sind sehr gut behandelbar und also bis zu 75 Prozent sprechen nach wenigen psychotherapeutischen Sitzungen zum Beispiel an. Es gibt auch bei den Depressionen ..., haben wir also sehr gute Prognosen, auch von 70/80 Prozent. Es ist auch so, dass die meisten wirklich nach einer Einmalbehandlung also schon sehr gut respondieren, aber es gibt natürlich auch einen kleinen Teil, Sie merken schon, so 20 Prozent hängt immer ein bisschen davon ab auch, wie kommt jemand in die Versorgung, bekommt überhaupt jemand eine gute Therapie oder nicht. Ja, und dann gibt es hier eben doch schwierigere Verläufe, die sich auch länger hinziehen, oder die halt einen Klinikaufenthalt benötigen. Aber beide Krankheitsbilder gelten als prognostisch sehr günstig, und die Therapiemöglichkeiten werden auch immer besser. Wir haben moderne, nebenwirkungsarme Medikamente, wir haben neue, nicht invasive Hirnstimulationsverfahren, immer kommen noch weitere dazu. Wir haben mittlerweile auch sehr gute Möglichkeiten im Bereich der Bewegungstherapie. Ernährungstherapie ist dazugekommen. Also es wird immer vielfältiger. Und auch die psychotherapeutischen Methoden werden immer effektiver. Es ist auch ergänzt worden, das (Armarium?), hier der Behandlung, zum Beispiel durch die Internet-Interventionen. Auch die möchte ich gerne noch einmal erwähnen. Es ist jetzt so, weil wir vorhin gesagt haben, na ja, zunächst ist der Ansprechpartner der Hausarzt, das ist vollkommen richtig. Aber die Menschen von heute, die gehen auch gerne ins Internet und informieren sich zunächst einmal dort und bekommen dann folgerichtig auch dort schon ein Therapieangebot gemacht. Und jetzt werden Sie natürlich fragen, na ja, also was ist denn das für eine Art von Psychotherapie, im Internet, kann man das überhaupt gleichsetzen mit der sogenannten Face-to-Face-Behandlung, also von Mensch zu Mensch, im Gespräch. Ja, interessanterweise, die Studien, die sind sehr, sehr überzeugend. Das ist beeindruckend. Man stellt halt hier auch fest, dass es eben – sagen wir mal – unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Patientengruppen gibt. Und wenn man jetzt die gut steuert, dann gibt es hier einen Teil, der allein durch eine Anleitung, durch ein gutes Programm im Internet schon sehr gut zurechtkommen kann und eine gute Verbesserung erreicht. Dann gibt es einen anderen Teil, für den ist es tatsächlich besser, dass sich ab und zu mal zumindest mit Video auch ein Therapeut dazuschaltet. Oder wichtig wäre zum Beispiel, dass es vielleicht auch am Anfang ein Therapeut ist, und der hat vielleicht nicht gleich eine Behandlungskapazität, gibt dem Patienten dann einen Code für das Programm, und dann kann der Patient erst mal weiterarbeiten. Und dann wird immer wieder, von Zeit zu Zeit der Therapeut dazu geschaltet, oder er merkt, das stagniert und schaltet sich von sich aus zu. Und so ist die sogenannte Blended-Therapie, also diese Kombinationsbehandlung gilt als sehr, sehr effektiv und sehr, sehr kostengünstig auch. Also es ist tatsächlich so, dass diese Wartezeit von einem halben Jahr, die wir ja im Schnitt haben, auf einen Psychotherapieplatz, ambulant, auf diese Weise sehr sinnvoll und effektiv überbrückt werden kann. Die Krankenkassen haben hier auch einen Zugang oder bieten den auch an. Es ist auch von der AOK ein Programm gekauft worden, was ich vorhin geschildert habe, das sehr gute Evaluationsergebnisse hat. Und das ist kostenlos zugänglich. Und zunehmend gibt es auch Apps auf Rezept, auch für die Angstpatienten. Die können zu ihrem Hausarzt dann auch gehen, und der kann ihnen nicht nur gleich ein Medikament verschreiben, sondern nein, der kann ihnen jetzt mittlerweile eine App für das Smartphone verschreiben, eine hervorragende Sache, weil Sie wissen ja, es gibt viele gute Medikamente, Antidepressiva, Serotoninmedikamente, die wir nehmen, auch bei Angsterkrankungen, vor allem bei den schwersten, am Anfang, um hier einen Effekt zu erzielen. Aber die haben dann wieder vielleicht auch Nebenwirkungen. Es gibt dann auch noch die Gruppe derjenigen Medikamente, die am Anfang super sind bei Angst, die einfach sehr entspannen, die allerdings dann abhängig machen. Und genau das wollen wir ja gar nicht. Das heißt, da braucht man schon einen Experten, der eben ein Medikament verschreibt, was nicht abhängig macht, und am besten ist es natürlich auch, wenn der Hausarzt das gar nicht als Erster tun muss. Und dass der Hausarzt lieber ein Programm verschreibt, was sehr, sehr sinnvoll und hilfreich ist. Und so könnten wir uns auch zukünftig hier eine gestufte Behandlung vorstellen. Es braucht denjenigen, wir sagen Gatekeeper, der jetzt der Erste ist, die Anlaufstelle ist und dann sagt, na ja, jetzt probieren wir erst einmal das, und wenn das nicht reicht, nehmen wir die nächste Stufe. Und wenn der nicht reicht, dann kommen auch die Bezirkskliniken oder wie auch immer, an die Reihe. Und so bekommt dann jeder Patient auch die suffiziente, die ausreichende Hilfe. Ein Problem unserer ambulanten Versorgung ist es ja jetzt mal, weil Sie vorhin gesagt haben, es gibt viele Psychotherapeuten, manche sind vielleicht nicht die Richtigen, manche haben aber auch keinen Platz, warum, ja, weil unter Umständen auch die falschen Patienten dort sind. Das sind gerne die leichten Patienten. Und wer versorgt dann die schweren? Die kommen dann zu uns. Aber es müsste schon so sein, dass die leichten Patienten vielleicht am Anfang sogar eben nur das Programm bekommen und die Videoergänzung. Und dann kommen die mittelschweren, und dann kommen die schweren. Also es muss wirklich schön gestuft werden. Dann hat jeder, der die Hilfe braucht in Deutschland, auch den Erfolg, sie zu bekommen.

Depressionen und Ängste erleben viele von uns im Laufe ihres Lebens. Aber sie sind damit nicht allein. Lassen Sie sich helfen! Mehr Informationen über die Frankenalb-Klinik in Engelthal und über das umfangreiche Angebot unter Bezirkskliniken-Mittelfranken.de. Herzlichen Dank an Prof. Dr. Thomas Kraus, Chefarzt der Frankenalb-Klinik in Engelthal. Wenn Sie Lust haben, mehr zu erfahren über interessante Themen, dann abonnieren Sie diesen Podcast. Bis zum nächsten Mal.