Ich fühle mich wieder stark!

Stefan G. erkrankt an einer Depression und kämpft sich Stück für Stück zurück ins Leben

 „Mir ging es immer schlechter und ich musste immer mehr Kraft aufwenden, um alle Anforderungen zu bewältigen. Jetzt Rückblickend kann ich diese Signale deuten“, erinnert sich Stefan G (Name von der Redaktion geändert). Es ist Anfang 2018 als der heute 53-Jährige den Entschluss fasst, aus dem hohen Norden der Republik nach Mittelfranken zu ziehen. Gemeinsam mit einem Freund möchte er ein neues Geschäft aufziehen und komplett neu anfangen. Zu diesem Zeitpunkt pendelt Stefan G. zwischen seinem alten und neuen Wohnort hin und her, schiebt Doppelschichten in der neuen und alten Arbeitsstätte. „Mein eigener Ehrgeiz war es immer 100 Prozent zu geben. Ich wollte es mir selber beweisen“, kann er heute erklären. Neben der zweifachen Belastung beschäftigen ihn finanzielle Sorgen. Stefan G. ist mehr und mehr mit der Situation überfordert. Während sein Geschäftspartner weitermacht, will er sich zunächst keine Schwächen eingestehen. Dabei werden die Ängste, es nicht zu schaffen, immer größer.

Im Oktober 2019 ist der Punkt gekommen, an dem es nicht mehr geht: „Ich habe beim Hausarzt um eine Überweisung in eine Klinik gebeten“. Sieben Wochen bleibt Stefan G. stationär dort, lernt viel über sich und seine Depression. Doch auch in der Klinik bleiben viele Sorgen: wie geht es finanziell weiter? Als Selbstständiger wird im Krankentagegeld nach den Geschäftseinnahmen des Vorjahres berechnet. „Mir blieben gerade einmal 600 Euro, sodass ich Grundsicherung beantragen musste“, erklärt er. Bereits in der Klinik erhält er die Empfehlung, seine Behandlung ambulant in einer Tagesklinik fortzuführen. Stefan G. informiert sich und findet wohnortnah die psychiatrische Tagesklinik Neustadt an der Aisch der Bezirkskliniken Mittelfranken. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Corona-Pandemie sich in Deutschland auszubreiten. Es folgt der harte Lockdown und damit vorerst keine Chance auf einen sofortigen Therapieplatz. „Durch den Aufenthalt in der Klinik hatte ich bereits Werkzeuge an der Hand, um nicht wieder in den alten Sumpf zurück zu rutschen“, so Stefan G. Dennoch machen ihm die Kontaktbeschränkungen und die weiterhin anhaltenden beruflichen Sorgen zu schaffen. Umso größer ist die Erleichterung und Freude, als er im Sommer die Zusage für einen Behandlungsplatz in der Tagesklinik erhält.

Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen: Depressionen haben viele Gesichter und können jeden treffen, unabhängig von Alter, Beruf und Geschlecht. In der psychiatrischen Tagesklinik Neustadt an der Aisch erhalten Patientinnen und Patienten ein spezielles Therapieprogramm, abgestimmt auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen. Ziel einer jeden Behandlung ist es, die Lebensqualität wieder zu erhöhen, eine Verbesserung der Alltagsbewältigung zu erreichen und insgesamt den Genesungsprozess zu unterstützen und zu begleiten. Fünf Wochen verbringt Stefan G. in der Tagesklinik. Das Programm umfasst den ganzen Tag, während die Patientinnen und Patienten die Wochenenden und Abende zu Hause in gewohnten Umfeld verbringen. Achtsamkeitstraining, Ergotherapie, Arzt- und Therapeutengespräche und, wenn nötig eine ergänzende medikamentöse Therapie, sind die Säulen der tagesklinischen Therapie. Betroffene wie Stefan G. lernen mit Ihrer Erkrankung umzugehen und erfahren, wie sie Rückfälle vermeiden können. „Ich blicke mit voller Freude zurück an die Zeit in der Tagesklinik. Nicht nur die Therapie war sehr wertschätzend, sondern die Menschen, die ich kennenlernen durfte, sind ein absoluter Gewinn. Wir stehen zum Teil noch heute in Kontakt und tauschen uns aus“, sagt Stefan G. über seine Zeit in Neustadt an der Aisch.

In der Tagesklinik kümmert sich ein multiprofessionelles Team, bestehend aus Ärzten, Therapeuten, Pädagogen und Pflegekräften um Menschen, die beispielsweise an Depressionen, Ängsten oder posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Stefan G. hat die fünf Wochen in der Tagesklinik als sehr intensive Zeit erlebt: „Es kostet Überwindung zu seiner Krankheit zu stehen. Aber ich kann nur jedem empfehlen, offen damit umzugehen und sich Hilfe zu suchen. Ich brauche auch jetzt noch viel Kraft, die Dinge zu ordnen, aber ich fühle mich stark!“ Im Verlauf der Therapie merkt Stefan G., dass er bereits viel geschafft hat. Die negativen Gedanken kann er nach und nach besser einfangen. Das Team der Tagesklinik erarbeitet mit allen Betroffenen einen „Notfallkoffer“ mit Maßnahmen, die helfen, wenn eine akute Belastungssituation einen Gedankenstrudel auslösen könnte. „Ich weiß nun mit meiner Krankheit umzugehen. Ich kann Frühwarnzeichen jetzt erkennen und gleich gegensteuern“, so Stefan G. Depressionen entwickeln sich, wie auch in seinem Fall, häufig schleichend.

Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, negative Gedanken: diese psychische Erkrankung hat viele Gesichert. Die eine Depression gibt es nicht. Je früher die Krankheit jedoch erkannt wird, desto schneller kann eine Besserung eintreten. Auch Stefan G. rät. „Auch wenn die Anderen es manchmal nicht verstehen und es mental so viel Kraft kostet: ein offener Umgang mit meinen Problemen hat geholfen. Wenn man es selbst nicht schafft, so kann beispielsweise ein sehr vertrauter Freund helfen und beispielsweise beim ersten Gang zum Arzt unterstützen“. Heute kann Stefan G. seinen Alltag wieder meistern. Er hat seine Ernährung umgestellt, fährt wieder Rad, macht Fitness. Seine Selbstständigkeit hat er beendet: „Das war eine richtige Befreiung für mich. Loslassen und sich Zeit nehmen ist wichtig, um gesund zu werden. Ich hab mich für meine Gesundheit entschieden. Es ist das höchste Gut, das wir haben und nur wenn wir es haben, können wir auch beruflich Leistung bringen“. Auch, wenn es immer noch Sorgen und Hindernisse gibt, so weiß er nun, wie er damit umzugehen hat. „Das verdanke ich dem ganzen Team der Tagesklinik. Jeder hatte immer ein offenes Ohr, auch wenn man keinen Termin hatte, so hat sich doch jeder Zeit und Sorgen und Ängste ernst genommen“.